Am 16. August war es so weit: Pünktlich zu
Lauras Geburtstag hatten wir zum ersten Mal Schule und kamen gleich mal mit den
beiden schlimmsten Fällen in Kontakt – Class 5 und Class 6. In der ersten
Stunde konnten wir noch mit der Präsenz eines neuen Lehrerkörpers aufwarten, in
den Folgenden erzielte jedoch nicht mal das altbewährte Plus-Minus-System den
gewünschten Erfolg. Um den Unterricht nicht auch für uns zu einem Brüllkonzert
ausarten zu lassen, beschlossen wir die Lehrerzahl zu verdoppeln, was die
Dezibelstärke auf ein Viertel sinken ließ. Nach einigen aufmürbenden, aber auch
erheiternden German- und Computerstunden konnten wir die Schlemmerorgie vom
Morgen (Christoph und Vicky konnten im bestsortierten Supermarkt der Stadt
Müsli und Orangensaft auftreiben) fortsetzen und uns ans Kaiserschmarrn backen
machen. Leider erwischten wir nicht ganz Typ 405 und auch erwies sich die
Beschaffenheit der nepalesischen Küchenutensilien als unzureichend.
Letzten Endes wurde aus der Mission KK (Kaiserschmarrn Kathmandu) anstatt eines
Gaumenfeuerwerks nur eine reine Kalorienzufuhr. Shiva-sei-Dank kamen kurz
darauf die Jungs und fluteten die Küche binnen weniger Minuten mit
selbstgemachten Krabbenchips. Danach folgte die allabendliche Wizardrunde mit
den wahrscheinlich besten Wizardspielern Nepals, die zum Beispiel mit einem
Zauberer null Stiche ansagen, aber trotzdem hellauf begeistert von dem Spiel
sind.
Am nächsten Tag brach Christoph dann mit
der ahnungslosen Laura auf in Richtung Thamel „um nur kurz Geld zu wechseln“.
Das Touristenviertel beherbergt neben unzähligen selbsternannten Outdoorläden
mit allerlei gefälschter Trekkingausrüstung auch „offizielle“ Stores von North
Face, Salewa und Marmot. Als wir jedoch einen dieser Läden betraten, trauten
wir unsren Augen nicht: auch hier fand sich allerlei Fake – und das zu
westlichen Preisen. Besonders dreist waren Expeditionsstiefel von LaSportiva, die für 600 €
als Qualitätsprodukt angepriesen wurden, allerdings bei näherem hinsehen
eindeutig gefälscht waren. Auch viele Taschenlampen tragen zwar ein Markenlogo
von Petzl und Co. und sehen verdammt echt aus und konnten von uns nur als Fake
identifiziert werden, da bei unserem Modell aus Deutschland ein LED mehr
eingebaut war. Nach der kleinen Geldwechsel- und Shoppingtour, wo Christoph lediglich
ein Budget von 4 € genehmigte, wartete zuhause eine Überraschungsparty. Die
Mädels, Vicky und Helene haben die Zeit unseres Ausflugs genutzt, um die Küche
zu dekorieren, die bestellte Geburtstagstorte abzuholen und selbstgemachte
Pommes vorzubereiten. Es konnte auch gleich losgehen mit der nepalesischen
Geburtstagsfeier: allein das Ausblasen der Kerzen machte Laura zu schaffen, da
sich die Kerzen wie durch Geisterhand immer wieder anzündeten. Der nepalesische
Brauch sieht es vor, dass das Geburtstagskind jedem der Gäste ein Tortenstück
in den Mund schiebt und die Hälfte wieder in den eigenen Rachen gesteckt
bekommt. Zusätzlich bekam Laura auch noch einen Torten-Tikka ins Gesicht – ob
das der Brauch auch vorsieht, ist zu
bezweifeln; eine Belustigung für alle anderen war´s auf jeden Fall. Danach
wurde noch ein Luftballontanz veranstaltet, bei dem zwei Personen (bevorzugt
„Christoph and Laura, Christoph and Laura“) den Ballon zum platzen bringen
müssen und die grölende Horde das Bonbon, das drin war, versucht zu fangen. Die
Steigerung davon war das Bonbonwerfen, bei dem wir Hände voller Süßem in die
Menge werfen durften und alle Mädels kreischten – Vicky und Helene allerdings
aus Angst, dass etwas ins kochende Fett fliegen könnte. Anschließend wurde uns
noch fleißig Henna auf Hände und Oberarme gepinselt, weshalb seitdem wunderschöne
Zeichnungen unsere Haut schmücken.
Das typische nepalesische Geburtstagsgeschenk: die zwei Figuren sind jeweils "you and Christoph" |
Drei Tage später machten wir uns auf den Weg
zu Kathmandus Vergnügungspark, der unsrem ersten Eindruck eher Angst als Vergnügen
bescherte. Das Riesenrad drehte sich mit einer so rasanten Geschwindigkeit, dass
die Gondeln in eine angsteinflößende Schräglage gerieten und die Passagiere (zu
denen wir übrigens nicht zählten) sich festhalten mussten. Das Kreischen der
Insassen wurde aber übertönt von den Dieselmotoren und dem Gequietsche der
anderen Fahrgeschäfte. Wir mieden also die Höhe und wagten uns dafür in den
Autoscooter, wo Christoph ein bisschen für Stimmung und noch mehr Funken sorgte,
indem er alle anderen Fahrer, die davor nur gemütlich ihre Runden drehten, mit
voller Wucht rammte. Binnen weniger Sekunden versammelten sich etliche Menschen
rund um die Bahn und verfolgten wie gebannt unseren glitzergrünen Unruhestifter
– zumindest die Zuschauer hatten sichtlich Spaß dabei. Nachdem Christoph sich
dann doch noch in die erhöhte Drachenachterbahn gequetscht (wortwörtlich!) hat, konnten wir den Tretboot-Frosch entern. Mit vier Leuten und ein paar Würmern in
diesem 2-Mann-Frosch, der noch dazu ein abschüssiges Hinterteil hatte und ein
nicht funktionierendes Steuerrad, rammten wir auch hier andere Fahrer bzw.
Wände und musste noch dazu aufpassen, dass wir nicht in die braune Suppe
rutschten.
Nach diesen spaßigen Stunden statteten wir
noch der islamischen Gemeinde, die an diesem Tag ihr Zuckerfest feierte, einen
kurzen Besuch ab. Zuallererst wurde uns Mädchen hier der Eintritt verweigert. Als
wir uns jedoch von ein paar Frauen, die am Straßenrand saßen, eine
Kopfbedeckung leihen konnten, durften wir in die Moschee eintreten. Dort wurden
wir gleich von zwei Moslems begrüßt, die dann auch schnell versuchten unsere
Kids zu bekehren. Nachdem von uns unzählige Fotos gemacht wurden und uns die
muslimische Art zu beten gezeigt wurde, mussten wir uns auf den Heimweg machen
um rechtzeitig unsere neue Freiwillige Lisa zu begrüßen. Auf dem Weg zur
Bushaltestelle gab es einen ohrenbetäubenden Knall – eine Stromleitung war
explodiert.
Parsu und Christoph in der Drachenachterbahn |
ein 5 Meter hohes Klettergeruest inkl. Betonauffangmatten fuer die Kleinen |
eines unsrer Fotos in der Moschee |
Nach diesen aufregenden Tagen folgten für
Christoph ein paar Krankheitstage. Das Fieber ging dann aber nach einem
Belladonna-Ibuprofen-Mexalen-Parcetamol-Schleimlöser-Ascorbisal-Cocktail
langsam zurück (Anmerkung von Christoph: „Ich hatte Lust auf was Süßes,
deswegen Globuli.“).
In den Tagen in denen Christoph das Bett
hütete, machte es sich auch eine Bettwanze bei uns gemütlich. Allerdings ist sie
bis heute die Einzige ihrer Art, die sich in unserem Zimmer einnisten konnte.
Die Schlafräume der Kids hingegen sind ein wahres Eldorado der „Udos“.
Zusammen mit der neuen Freiwilligen erfüllte
die 4er-Mädels-Truppe noch in der gleichen Woche den Auftrag aus Österreich,
für ein paar Schulkinder neue Klamotten zu shoppen. Auf dem Markt feilschten
wir um jeden Cent und konnten mit der Ausbeute fürs Erste zufrieden sein (Am
nächsten Tag zeigt sich dann was „good quality“ wirklich bedeutete: Als sich
der kleine stolze Besitzer einer neuen Jeans hinsetzte, riss diese von oben
nach unten komplett auf.). Auf der Rückfahrt bekamen wir wieder einmal die
gelassene Art der Nepalesen zu spüren, als unserem Bus ein Reifen platzte. Nach
dem „Peng“ eierten wir erstmal noch einige hundert Meter weiter, bevor wir zum
stehen kamen. Mitten auf der Straße machten sich Busfahrer und Busbegleiter
daran, Werkzeug und Ersatzreifen vom Dach zu hieven und den Reifen zu wechseln,
während die anderen Fahrgäste sich in der unfreiwilligen Rastpause erstmal
Brotzeit besorgten oder ein Karaokekonzert veranstalteten.
Am Tag darauf erlebten wir in einem Taxi eine
ähnlich lustige Geschichte. Wir waren mit Helenes und Vickys Patentochter
Anjana beim Abendessen in Thamel und trugen ihr auf, für den Nepalipreis einen
Taxifahrer für uns anzuheuern. Nachdem sie dem Fahrer mitteilte wohin wir
wollten, nannte dieser erstmal das Doppelte des Normalpreises, willigte dann
jedoch ein uns mitzunehmen. Nach nicht einmal 200 Metern stellte er jedoch
fest, dass er nicht weiß, wo unsere Schule ist. Prompt ließ er uns aussteigen,
düste davon und wir mussten das nächste Taxi finden. Natürlich wollte dieser
uns nicht für den zuvor ausgehandelten Preis mitnehmen, entpuppte sich dann
jedoch als sehr nett und brachte uns nach Hause. Sogar die Musik konnten wir
uns aussuchen und so wurde die Fahrt mit sechs Personen in einem Mini-Taxi doch
noch ganz nett.
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